Monatsarchiv: Juli 2021

Neuaufnahme

Vor drei Tagen ist eine neue Bewohnerin eingezogen, die Frau kam mir die ganze Zeit irgendwie bekannt vor.

„Waren Sie schon mal hier im Haus? Zur Kurzzeitpflege oder in der Tagespflege?“ fragte ich.

„Ne, gar nicht. Bin das erste Mal hier.“ sagte sie.

Merkwürdig. Ich kenne die Frau.

Nächster Tag, nochmal gefragt:

„Waren Sie schon mal auf einer anderen Station hier?“

„Ne, auch nicht. Auch wenn Sie mich jeden Tag fragen.“

„Mmh. Na, ok.“

„Ja, früher… früher hat meine Schwester hier gewohnt. Das ist aber schon zu lange Herr, junger Mann.“

„Wie war der Name Ihrer Schwester?“

„Maria Mustermann.“

„Maria Mustermann…. arbeitete bis zum Ruhestand im Blumenladen, ganz krummer Rücken am Ende, hatte die Prothesen immer ins Kissen gesteckt, hatte ihr Zimmer direkt neben dem Balkon im obersten Stockwerk.“

„…. Sie..Sie.. Sie kennen noch meine Schwester? Das ist so lange her. Ich kann das gar nicht glauben. Aber sie ist 1998 gestorben.“

„Da war ich schon hier.“

Daher kannte ich die neue Bewohnerin also. Sie verhielt sich früher immer so als wenn sie unsichtbar wäre oder wie ein Schatten wenn sie zu Besuch war. Als wenn sie nicht erkannt werden wollte oder keine Unannehmlichkeiten machen wollte. Eigentlich unauffällig aber trotzdem so auffällig dass man sich sie gemerkt hat. Vielleicht deswegen.

Natürlich kenne ich auf Kommando nicht mehr alle Bewohner von 1998-2021, das war Zufall in dieser Situation da ich auf der Station zu der Zeit arbeitete.

Wiedersehen

Nach ungefähr 12 Wochen war ich mal wieder auf einer Station im Bewohnerzimmer, wo eigentlich die Kolleginnen arbeiten, das ist die Station wo ich vorher jahrelang im Tagdienst gearbeitet hatte:

„MAN, MAN, WAS GIBT ES HIER ZU KLINGELN?!? ICH WILL AUF KEINEN FALL GESTÖRT WERDEN BEI DER ARBEIT!“ rief ich in das Zimmer.

„Ach ne, habe ich eine Entzündung an den Augen? Du lebst ja auch noch, darf doch nicht wahr sein.“

„Natürlich. Und ihr nervt mich alle noch extrem, mehr als vorher, aber das muss ich ja nicht extra erwähnen.“

„Ja, das ist klar. Wo warst du denn so lange? Ich habe schon immer in der Zeitung bei den Todesanzeigen nach dir geschaut, da war aber auch nichts zu lesen.“

„Als wenn du noch lesen kannst in deinem Alter.“

„Dir lese ich gleich was vor, sei besser vorsichtig.“

„So, ich muss los, wehe hier wird nochmal heute geklingelt, ich flippe sonst komplett aus.“

„Lass dich öfters mal sehen, hat mich gefreut dich zu sehen!“

So gefällt mir das. Leute anschnauzen und die freuen sich dann auf das nächste Wiedersehen.