Monatsarchiv: August 2014

Stellungswechsel

Ein Schüler und eine Bewohnerin am Rollator kamen mir heute auf dem Flur entgegen, die Bewohnerin spricht mich an:

„Ach, ich muss fit bleiben, ich gehe bis zum Frühstück hier den Flur rauf und runter!“ sagt sie.

„Oooooh ja! Rauf und runter! Wunderbar, ach wie schön. Genau das mag ich auch gerne. Aber sowas von gerne. Besser als Arbeit! Da hätte ich jetzt auch Lust zu!“ antworte ich.

„Ja, ja, kann ich mir bei dir vorstellen, dir gefällt das gut so wie ich dich kenne!“ sagt sie.

Der Schüler hört unser Gespräch, er redet mit der Bewohnerin:

„Ich glaube der Sven meint mit rauf und runter etwas ganz anderes als hier auf dem Flur spazieren zu gehen.“ sagt er zu der Bewohnerin.

„Natürlich, der redet von Frauen wo er rauf und runter kann, junger Mann. Ich bin zwar alt aber meine fünf Kinder hat mir nicht der Klapperstorch gebracht. Sie sehen mir auch so aus als wenn Sie das gerne tun mögen!“ grinst sie ihn an.

Der Schüler war so schockiert von der Bewohnerin, er ist sprachlos in ein Bewohnerzimmer gestürzt. Die Sache war ihm eindeutig zu heftig, da kam er mal gar nicht mit klar.

Ich musste die ganze Frühschicht grinsen wenn ich die Bewohnerin oder den Schüler sah.

 

Geh mal Haare machen!

Frau H.hatte heute eine ehemalige Arbeitskollegin zu Besuch. So alle sechs Wochen schaut die Besucherin mal vorbei.

Frau H. ist ziemlich fit, benötigt als einzige Bewohnerin keine Hilfe, sie muss nur geweckt werden. Sie kann und soll auch alleine entscheiden was sie machen will, anziehen möchte usw.

Nun war ich im Schwesternzimmer und die Besucherin von Frau H. sprach mich an:

„Hier! Die Frau H. soll zum Frisör, der ist doch am Freitag hier im Haus.“ sagt sie.

Wie gesagt, Frau H. kennt die Frisörzeiten und kann das alleine entscheiden.

„Ah, dann will Frau H. die Haare geschnitten haben.“ sage ich zu der Frau.

„Keine Ahnung. Nur sieht das hinten unmöglich aus, die Haare müssen mal wieder ab.“ erzählt sie.

OK, Frau H. weiß noch gar nichts von ihrem Frisörbesuch. Dann ist mir das eigentlich völlig egal was die Besucherin will oder ob ihr die Haarpracht von Frau H. nicht passt. Aber man ist ja gut erzogen und noch freundlich:

„Ich kümmere mich darum!“ sage ich zu der Dame.

Sie schaut mich mit einem sehr skeptischen Gesichtsausdruck an:

„Ihre Kolleginnen schreiben sich das immer auf!“ gibt sie mir als Rat mit.

„Joah, ich bin noch jung, so etwas kann ich mir gerade so merken.“ sage ich.

„Ich würde das aufschreiben! So wie ihre netten Kolleginnen. Die Damen sind nämlich nicht so ein Kotzbrocken wie Sie es sind,junger Mann!“

„Das wird schon, wie gesagt!“ sage ich.

„Ich bin morgen auch noch in der Stadt, mal sehen ob sie dann beim Frisör war.“ sagt sie.

Alles klar, jetzt reicht es mir, die Alte war mir schon immer unsympathisch, dann will ich ihr das auch sagen:

„Kommen Sie ruhig, sie wird nicht zum Frisör gehen.“ sage ich.

„Aber Sie soll morgen zum Frisör, ich habe ihnen das doch gerade eindeutig gesagt!“ meckert sie.

„Ja, ich wollte auch nur nett sein. Wenn Frau H. nicht zum Frisör will dann jage ich sie da morgen auch nicht hin.“ erkläre ich ihr.

„Die Haare sehen aber schlimm aus, so kann die doch nicht unter Leute gehen!“ meckert sie weiter.

„Natürlich. Und wenn die Haare bis zum Boden hängen, völlig egal. Besucher bestimmen über den Frisurstyle der Bewohner, möchten Sie das später so haben falls Sie mal im Heim leben? Ich komme Sie dann besuchen und gehe danach zu den Schwestern und erzähle denen das Sie unbedingt zum Frisör sollten. Wie würden Sie das finden?“ fauche ich.

„Sie haben ja mal Vergleiche!“ staunt sie.

„Es wäre doch genau die Situation wie jetzt.“ sage ich.

„DIe Damen hier haben das immer aufgeschrieben!“ bellt sie weiter.

„Gut, ich schreibe das dann auch auf. Sind Sie dann zufrieden?“ frage ich.

„Ja, aber wo landet dann das Papier?“ fragt sie.

„Im Mülleimer. Können Sie sich doch auch denken.“ antworte ich.

Sie hat es nicht kapiert. Mündigen Bewohnern etwas vorschreiben, geht es noch? Ich wundere mich, ins Gesicht hat sie mir nicht gespuckt. Kommt vielleicht morgen Nachmittag.

 

 

Blase

Gestern fand wieder ein Wortgottesdienst in der hauseigenen Kapelle statt. Dort nehmen dann auch viele ältere Menschen, die nicht im Haus wohnen, teil.

So auch diese ältere Dame mit ihrer Tochter, ich hörte nur das Ende von dem Gespräch:

„Kind, ich muss aber wirklich vorher nochmal auf die Toilette!“ sagte die Dame.

„Mama, wir schauen. Nach der Messe kannst Du da hingehen.“ sagte die Tochter.

„Ich muss aber wirklich vorher! Sonst mache ich während der Messe.“ bettelte die Dame.

„Dann sind aber alle Plätze besetzt. Wir gehen jetzt in die Kapelle und danach schön auf die Toilette.“ sagte die Tochter.

Die Mutter hat sich dann ihrem Schicksal ergeben.

Was für eine Scheisse. Wieso hilft die Tochter der Mutter nicht schnell? Es war 15:40h, der Gottesdienst fängt um 16h an.

Nur damit an in der ersten Reihe sitzt? In der Woche sind die Plätze niemals alle belegt. Mutter sitzt da jetzt mit einer vollen Blase und betet für ein schnelles Ende der Messe damit sie auf die Schüssel kann.

Die Dame wird wohl sonst auch von der Tochter zu Hause versorgt, da klappt es doch dann auch mit dem Toilettenbesuch. Hoffe ich doch mal.

 

 

Werbeartikel

Hier flattern ja viele Werbeartikel ein, sei es von Firmen, die neue Produkte vorstellen wollen, beliefernde Firmen, Artikel von Hausärzten usw.

Meistens gibt es dann Kugelschreiber, Süßigkeiten, Jahresplaner im 2 Meter Format, Taschenrechner, Kuchen oder wie von der Apotheke dieses Teil:

 

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Eine ganz normale, neutrale Packung Taschentücher in einer dicken Plastikhülle. Erst muss ich die Plastikhülle aufmachen, die Packung Taschentücher irgendwie da rausholen und dann kann ich die normale Packung Taschentücher aufmachen. Die ganze Sache dann natürlich auch in umgekehrter Reihenfolge falls ich die Packung da wieder hineinstopfen möchte. Hätte man die Werbung nicht einfach auf die neutrale Taschentücherpackung drucken können? Unsere Bewohner verzweifeln teilweise schon beim öffnen der normalen Packung Taschentücher. Hilft man da nicht läuft der halbe Schnotz schon aus der Nase.

Möchte nicht wissen wie viele Packungen von dem Plastikmüll im Umlauf sind.

Dann lieber einen Kugelschreiber. Oder Kuchen.

Tägliche Einträge

Ich erhalte zur Zeit öfter Emails oder FB-Nachrichten, grober Inhalt:
„Warum kommt hier nicht jeden Tag ein Eintrag?“
Ja, könnte man machen, Material ist meistens vorhanden. Viele Sachen wiederholen sich, kommen in abgewandelter Form vor oder reichen einfach nicht für das den Blog. Es würde euch Leser nur nerven wenn ich ständig ähnliche Beiträge schreiben würde.
Einige Mails beziehen sich auf das Buch: „Schreib doch mehr, das Buch ist doch raus!“
Meiner Meinung nach kann man besser ein „Highlight“ die Woche schreiben als sieben tägliche aber durchschnittliche Beiträge. Viele Blogger, denen ich folge, schreiben nicht jeden Tag einen Artikel. Ich habe das früher nicht gemacht und möchte das momentan auch nicht ändern. Natürlich kann auch jeden Tag im Altenheim etwas geschehen was man unbedingt aufschreiben sollte. Dann würde es jeden Tag einen Eintrag geben.
Ganz viele Erlebnisse kann man kaum aufschreiben, man muss es gesehen haben. (Oft schon probiert es als Text zu formulieren, es bringt nichts)
Also: alles so wie immer! 🙂

Apropos Buch: hier noch zwei Seiten mit Buchrezensionen:

http://mediennerd.de/ich-habe-den-fuehrer-rasiert-skurriles-aus-dem-altenheim-buch/

http://www.fachbuchkritik.de/html/ich_habe_den_fuhrer_rasiert.html

Wer noch mehr Seiten findet: Immer her damit!

Rosshaar

„Du bist ja auch wieder unverschämt!“ faucht mich eine Bewohnerin an.

„Ich? Ne, meine nicht.“ sage ich.

„Na klar. Du hast dem Pferd ein Stück Fell vom Körper gerissen, Kerl nochmal!“ meckert sie weiter.

„Ich habe heute aber kein Pferd gesehen.“ antworte ich.

„Dann schau dich mal um und mach die Augen auf. Hier im Zimmer ist das Pferd, da sitzen doch zwei Spanner drauf.“ erklärt sie mir.

Gut,ich war es. Aber jetzt drehe ich erstmal die beiden Heizungen von ´5´ auf ´1´. Vielleicht verschwindet dann auch das Pferd aus dieser Sauna aus dem Zimmer.

Krankheit: Wanderlaune

Ich betrete das Zimmer von Frau M.:

„Endlich bist Du da! Ist das schön, da habe ich ja noch Hoffnung! Du bist meine Rettung! Du bist hier! Es ist so wunderbar! Ich freue mich! Früher mochte ich dich nicht…. aber heute sehr. Toll, ich freue mich so.“ strahlt sie mich an.

So werde ich natürlich von jeder Bewohnerin begrüßt, so etwas muss ich ja nun wirklich nicht erklären. 😉

„Was ist los? Kann ich dir irgendwie helfen? Brauchst Du was?“ frage ich.

„Nein! Es ist nur schön dich zu sehen!“ sagt sie und schüttelt wild meine Hand.

Prima, die Dame ist gut drauf, was will man mehr.

Ich verabschiedete mich von der Dame und erklärte ihr sie später nochmal zu besuchen.

Nach einiger Zeit war ich wieder bei ihr:

„Mein Gott, biste immer noch da? Haste noch keinen Feierabend? Musst Du hier immer rumschleichen? Gib mir mal lieber etwas zu trinken und schau mich nicht so dumm an. Ich würde auch mal gerne etwas anderes sehen als dein Gesicht.“ mault sie.

So! DIESE Begrüßung kommt mir dann doch vertrauter vor, so fühle ich mich wohl während der Schicht! Diese Harmonie!

Frauen…. <— passt auch irgendwie immer.

Dr.Best

Ich hatte Spätschicht mit einer männlichen Aushilfe, normalerweise arbeitet er fast nur in der Frühschicht und versorgt zum größten Teil die männlichen Bewohner. Heute war er aber bei einer Bewohnerin um sie für die Nacht zu versorgen.
Nach einiger Zeit kam er zu mir:

„Gibt es da einen Trick mit den Zähnen bei Frau R.?“ fragt er mich.

„Trick? Was meinst Du?“ frage ich.

„Ich kriege die Zähne nicht raus bei ihr.“ sagt er.

„Da würde ich es mit einer Zange probieren!.“ antworte ich.

„Hä? Ich will die Zähne ja nicht ziehen!“ meckert er.

„Sie hat aber noch ihre eigenen Zähne im Mund.“ sage ich.

„Quatsch!“ meint er.

„Ja, wirklich.“ sage ich.

„Dann sieht die Sache ja schon anders aus!“ meint er.

„Auf jeden Fall.“ sage ich.

„Aaaaah, deswegen schimpft sie auch mit mir. Ich soll das fummeln im Mund lassen und die Zähne soll ich nicht immer anpacken.“ antwortet er.

Da würde ich aber auch sauer bei werden wenn mir jemand die Zähne aus dem Mund ziehen will. Die Bewohnerin nahm es dann aber noch mit Humor.

Stallruhe

Frau X. sitzt in ihrem Zimmer und liest ein Buch:

„Na, was liest Du da? Spannend? “ frage ich.

„Das Schweigen der Lämmer.“ sagt sie.

Was? Ungewöhnlich. Sonst hat sie immer die fiesesten Zeitschriften, irgendetwas über Lebensbeichten, Schicksale, Geheimnisse, Lebenslügen, Königshäuser oder klassische Groschenromane vom trotteligen Doktor auf der Alm.

„Quatsch, wirklich? “ frage ich.

„Meine ja. Oder wie heißt der Titel? “ sagt sie und dreht das Buch um, dann sehe ich folgendes:

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„Ne, oh, ´Das Schweigen im Walde´. Das Schweigen der Lämmer sagt mir aber auch was.“ antwortet sie.

Gesehen habe ich das Buch bei ihr noch nicht, das Buch gelesen oder den Film geschaut hat sie bestimmt schon. Tippe bei der Dame aber eher auf das Buch.
Beide Bücher sind ja in gewisser Weise gruselig…

Eltern

„Meine Eltern haben auch schon lange nicht mehr nach mir geschaut!“ beschwert sich die 89-jährige Bewohnerin während der Morgenpflege.

Gut, in diesem Fall ist es unwahrscheinlich nochmal Elternbesuch zu erhalten.

Die Situation an sich gab es hier aber schon, ich habe es dreimal erlebt, hier ein Beispiel:

Eine Dame, Alter weit über 90, besucht ihre Tochter, ungefähr 75 Jahre jung. Tochter lebt im Altenheim und Mutter feiert zu Hause wilde Partys ist noch relativ mobil und lebt alleine zu Hause.
Mutter schiebt dann die Tochter im Rollstuhl durch den Garten.

Kommt selten vor, aber es kommt halt vor.