Tagesarchiv: 21. März 2013

Reitfrosch

Frau X., bettlägerig, hat Besuch von ihrer jüngeren Schwester. Jung ist in diesem Fall 92 Jahre. Die Schwester wohnt noch zu Hause, kommt ab und an vorbei. Heute auch wieder, ich betrete das Zimmer:

„Ah, Schwester!“ sagt Frau X., die heute wieder sehr verwirrt ist, als ich das Zimmer betrete.

„WAS? Schwester?“

„Ah, Herr Sven!“ sagt sie.

„Schon besser.“

„Ja, ich habe gerade genäht. Ein schönes Kleid für die Frau des Heimleiters! Wollen Sie es ihm geben?“ sagt sie.

Der Schwester ist das immer total unangnehm, sie versteht nicht warum die Schwester so etwas redet.

„Mensch, was redest Du da? Du hast nichts genäht. Liegst doch hier im Bett. Mensch.“ sagt sie zu ihr.

„Ja, der Herr Sven… Herr Sven, was machen ihre Pferde? Waren Sie wieder in den weißen Sachen reiten auf der Wiese?“ fragt sie mich.

Ich deute eine Reitpose an.

„Jaaaaa. Genau.“ sagt sie und grinst mich an.

„Ach, jetzt hör auf, der Sven reitet doch gar nicht. Der hat kein Pferd.“ sagt die Schwester der Bewohnerin.

„Herr Sven, geht es mit mir zu Ende?“ fragt sie mich.

„Heute noch nicht. Das dauert noch!“ sage ich.

„Und meine Schwester? Die hustet hier. Ich bin davon ganz krank.“ sagt sie und hüstelt dabei.

„Der geht es auch gut!“ antworte ich.

„Na, die soll nicht hier auf dem Stuhl sterben!“ meint sie.

„Ach, jetzt hör auf. Mir gehts doch gut, ich hatte nur einen Frosch im Hals. Rede nicht so!“ sagt die Schwester.

„Herr Sven, hier ist ein Frosch!“ sagt Frau X.

„Ich reite mal weg und suche den Frosch!“ sage ich.

„Jaaaaaaaa. Schön.“ freut sie sich.

Frosch nicht gefunden, Pferd ist im Stall. Dann kann ich Feierabend machen.