Hat gestern jemand Panorama gesehen?
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2012/pflegemaengel103.html
Vielleicht kann man sich das nur schwer vorstellen wenn man nicht in einem Heim arbeitet, aber Dauerklingelbenutzer gibt es wohl in jedem Heim.
Bei uns ertönt dann alle 15 Sekunden ein „Piiiiiiiep“. Auf einem Display können wir sehen in welchem Bewohnerzimmer der Alarm ertönt. Wahlweise auch mit Gegensprechanlage, dieses wird aber kaum genutzt da unpersönlich und nur nervig.
Auch wir haben Bewohner die ständig die Klingel drücken. Die Gründe sind vielfältig, sei es aus Langeweile, Faulheit oder anerlernter Unselbstständigkeit.
Bei uns wird niemand von der Klingel weggeschoben oder außer Reichweite gebracht. Ich denke aber in anderen Häusern sieht es da anders aus.
Man muss aber auch die Sache aus der Sicht eines Pflegers sehen:
Vier Menschen klingeln gleichzeitig, Frau A., Frau B., Frau C. und Frau D.
Frau A. ist bekannt für ihre Klingelitis, sei es ein heruntergefallenes Taschentuch, Fenster schließen, Fenster auf, Heizung an oder aus usw. Sie könnte es alleine, klingelt aber praktischerweise lieber.
Frau B. klingelt nur bei Toilettengängen.
Frau C. benutzt die Klingel nur um zu den Essenszeiten in den Speisesaal geschoben zu werden.
Frau D. klingelt nie, falls doch ist wirklich etwas passiert.
Wie gehe ich vor falls ich alleine auf der Station bin oder die einzige Pflegekraft bin die im Moment die klingelnden Bewohner versorgt?
Ich gehe erst zu Frau D., dann zu Frau B., gehe dann zu Frau C. und zum Schluß zu Frau A.
In dem Fall würde es auch, wie in dem Interview zu hören, an die 20 Minuten dauern bis ich bei Frau A. bin.
Die Klingel wurde nicht entfernt, man ist halt nur nicht sofort zu der Person gegangen. Auch wenn man es gerne anders möchte, es ist einfach zu wenig Personal vorhanden.
Teilweise geht es dann wohl nicht anders.
Anderes Beispiel, live erlebt:
Wir sind am Nachmittag ab 13:30h zu zweit auf der Station, ab 16h kommt die dritte Kraft dazu.
Stürzt oder stirbt in der Zeit von 13:30h bis 16h ein Bewohner ist das in zweierlei Hinsicht übel:
1. Der Bewohner ist verstorben oder gestürzt, klar.
2. Eine Pflegekraft fällt für längere Zeit aus, in dem Erlebnis ist eine Bewohnerin verstorben. Doktor informieren, Angehörige anrufen, den ankommenden Angehörigen Trost spenden, Papierkram erledigen usw. In der Zeit muss die zweite Kraft die Station fast im Alleingang übernehmen. Dazu zählt der allgemeine Ablauf, der nicht unerheblich ist und die klingelnden Bewohner versorgen. In so einem Fall dauert es auch lange bis die Pflegekraft den Stationsablauf organisiert hat und die Bewohner an der Klingel versorgt sind.
Ist man in dieser Zeit alleine (was in vielen Häusern der Fall ist) kann man nur beten das Hilfe von einer anderen Station kommt. Oder es dauert lange bis die klingelnden Bewohner ´abgearbeitet´ sind. Natürlich kann man auch schnell von den Angehörigen der Verstorbenen verschwinden. Nur wer macht das?
Normalerweise sind wir bei uns im Haus nach 1-2 Minuten bei dem klingelnden Bewohner. Dies kann aber durch Personalmangel, Grippewelle oder was auch immer etwas länger dauern. Man kann sich nicht teilen, beim besten Willen nicht.
Bewohner, die auf Hilfe bei der Flüßigkeitszufuhr angewiesen sind bekommen bei uns im Haus ausreichend zu trinken. Natürlich gibt es Bewohner die nicht ausreichend Flüßigkeit zu sich nehmen. „Ich muss dann immer zur Toilette!“, „Ich mag es nicht!“, „Ich habe noch nie so viel getrunken, bin doch kein Kamel!“ usw. Diese Menschen kann man zwar motivieren zu trinken, einprügeln kann ich es denen nicht. Wird bei der Oma zu Hause auch nicht gemacht.Natürlich ist es bei den Bewohnern, die Hilfestellung benötigen, nicht immer leicht. Der Pfleger in dem Film hat mit der Zeitangabe völlig Recht.
Ich stehe auch keine 15 Minuten am Bett und reiche 200ml Flüßigkeit an, ich komme öfters in die Zimmer und reiche kleine Schlücke. Auf Wunsch natürlich auch den ganzen Becher, nur kann sich nicht jeder Bewohner äußern.
Zu dem Pfleger, den die ältere Dame beschreibt, braucht man nicht viel zu schreiben.
Das Problem ist einfach der Personalmangel und die fehlende Zeit, die ich für die Dokumentation verschwende.
Mich wundert das Nachwuchsproblem in der Pflege schon lange nicht mehr.
just my 2 cents