Money

Herr W. leidet an Alzheimer, er meint das Altenheim ist eine Art Kur, er komme wohl wieder nach Hause die nächsten Tage.
Manchmal (so um die ungelogene 150 Mal) fragt er uns wann er denn endlich nach Hause kann.
Alle Kolleginnen sagen ihm nach dem 20.Mal fragen:

„Sie wohnen doch hier, ich zeigen Ihnen ihr Zimmer.“

Seine Antwort lautet immer:

„Wer hat das angeleiert?“

Antwort:

„Ihre Tochter!“

Seine Antwort darauf:

„Das war bestimmt mein Schwiegersohn, der ist so dominant, will immer alles zu sagen haben. Wenn die hier vorbei kommen, oh ne, dann ist was los.“

Und schon gehts wieder los wie jedes Mal:

„Wo ist mein Geld? Wer bezahlt das hier? Kann ich meine Tochter anrufen?“ Immer so weiter.

Sieht er mich und fragt wann er nach Hause kommt erhält er folgende Antwort:

„Du Willi, übermorgen geht es nach Hause!“

„Ja?“

„Sicher! Alles mit deiner Tochter abgeklärt!“

„Und das ist zu 100% sicher“

„Zu 1000%!“

„Du hilfst mir dann und sagst mir das noch einmal,ja?“

„Aber natürlich.“

Mich fragt er das auch öfter, so an die 10 Mal pro Tag.

Der Vorteil, nicht immer die Wahrheit zu erzählen, liegt doch auf der Hand:

Er ist beruhigt, nimmt den Tag viel gelassener hin als mit der Wahrheit. Es geht ihm bedeutend besser.

Nun sagen mir meine Kolleginnen immer, täglich, folgendes:

„Du kannst ihm das doch nicht so erzählen, ist doch gelogen. Was ist wenn er sich übermorgen daran erinnert und dann vor der Tür steht? Das kannste nicht machen!“

Klar kann ich das machen! Er wird sich das bis übermorgen nicht merken, auf keinen Fall.

Warum soll ich dem Bewohner den Tag versauen? Und das im 10 Minuten Takt?

Niemals werde ich das machen.

Ach, mit Validation kommt man bei dem Bewohner auch nicht weit.

13 Antworten zu “Money

  1. Yupp, finde ich sehr gut, was du da tust!… Bisweilen verwirrt und verletzt die „Wahrheit“ mehr, als dass sie gut tut… Und dein Verhalten erspart euch und dem Bewohner auch mit Sicherheit etliches an Medikation…

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  2. Sehe ich ähnlich.
    Wir hatten es auch in ähnlichen Fällen. Ich bin kein Freund von diesen Lügengeschichten, aber manchmal sind alle glücklicher, wenn man nicht die Wahrheit erzählt.

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  3. Bei meiner Mutter lief das ähnlich. Und die Sehnsucht nach Zuhause ist doch verständlich. Glücklicherweise lief das in der Wohngruppe meiner Mutter so, wie Du das machst. Den Streß, den meine Mutter bei der „Wahrheitsliebe“ Deiner Kolleginnen gehabt hätte, hätte ich ihr nicht antun wollen. Aber warum werden solche Dinge bei Euch nicht im Rahmen von Aus- und Fortbildung thematisiert? Das sind doch Basics in der Arbeit mit dementiell veränderten Menschen?

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  4. Genauso einen Bewohner haben wir auch. Ich sage auch immer, dass ich mich um die Wohnungsgenossenschaftsanteile kümmer. Und er ist zufrieden. Manches Mal muss man zu solchen Mitteln greifen. Seh das genauso wie du. Schönen Dienst wünscht Mandy

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  5. Das ist doch ein schönes Beispiel für eine gerechtfertigte Notlüge.
    Beide Seiten haben etwas davon und keinem wird geschadet.

    Die Praxis der Kolleginnen hält nur den Alltag auf und verkompliziert alles unnötigerweise.

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  6. Aber es ist doch allgemein bekannt, dass es besser ist, Alzheimer Patienten „anzulügen“, damit sie sich beruhigen und wohl fühlen. Und Herrn W. geht es bestimmt besser, wenn er weiß, dass er bald wieder abgeholt wird.

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  7. Sollte einem doch schon der gesunde Menschenverstand sagen, dass das für den Betroffenen auch einfach angenehmer und stressfreier ist… Weiter so! Da gibt man doch nicht ganz die Hoffnung auf, dass Menschen im Altenheim nicht nur verwaltet werden, sondern dass man ihnen ihr Umfeld möglichst angenehm gestaltet…

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  8. ich kann mich den kommentaren nur anschließen. in solch einem fall ist eine lüge in der tat streßfreier für den bewohner.

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  9. Machen wir genauso. Wir haben eine Bewohnerin, seit 4 Wochen da, die genau die gleichen Fragen stellt und die wir wie Du beantworten. Und wenn sie nach ihrem Mann frägt der sie abholen soll, sage ich immer dass ich ihn später anrufe und ihm Bescheid sage. Damit ist sie dann zufrieden. Würden wir ihr die Wahrheit sagen, würden wir sie nur beunruhigen.

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  10. Ich finde ja, dass man möglichst nie lügen sollte, aber bei dementen Menschen erzeugt die Wahrheit doch oft nur unnötigen Stress.
    Sollte ich selbst mal in der Situation sein, wünsche ich mir, dass alle Leute, die sich um mich kümmern müssen, mir mein Leben schön lügen.

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  11. Das sind doch die typischen Situtationen. Wo ist mein Schlüssel? Wann kann ich die Rechnung hier bezahlen? Meine Geldbörse ist weg. Mir wurde xyz geklaut. Dabei findest du dann beim Bewohner immer mehr von dem im Wohnbereich vermissten Zeug.
    Wir haben auch solch einen Herrn im WB. Wenn er denn seine Tochter anrufen will, dann wähle ich die Telefonnummer die er sagt, nur ohne die 0 für die Amtsholung und gebe ihm den Hörer. Er bekommt dann das Besetztzeichen und meckert „Ja wenn die Frauen telefonieren“. Aber er ist dann beruhigt und ungestresst.
    Wenn er auf dem Trip ist und meint sein Auto steht auf dem Hof und das Licht brennt, dann sage ich ihm, dass ich gleich Feierabend habe und mein auto direkt daneben steht. Für den Fall, das ich nicht mehr zu ihm komme, ist das Licht an seinem Auto aus …..
    Einen Dementen auf Fehler hinweisen ist doch dumm und beunruhigt die Leute nur, es ist tausendmal besser mit zu spielen, auch wenn es gelogen ist. wichtig ist doch nur, dass die Menschen zufrieden sind.

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  12. Wow. Das ist ein menschlicher Ansatz und echt klasse von dir. Ich finde, dass du dich genau richtig verhälst.
    Herzliche Grüße
    Svenja

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  13. Echt klasse von dir! So wie du es machst, ersparst du dir und ihm eine Menge Streß. Er ist beruhigt und wird sich sicherlich nicht daran erinnern. Falls doch, kann man es dann immernoch erklären, ist ja nicht so schwer. Ich mache das auch genauso wie du!

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