Tagesarchiv: 10. Dezember 2011

Krass? Hilfreich?

Eine Bewohnerin jault im Bett, sie möchte nicht aufstehen, sie hat sich in der Nacht wohl eingekotet, schämt sich dafür, liegt den ganzen Vormittag im Bett, nichts gegessen usw, das volle Programm.
Ich hörte wie meine Kolleginnen es mit den üblichen Phrasen versuchten, nur dies klappt nun wirklich nicht bei jedem Bewohner. Ich ging in das Zimmer:

„Bertha!“

„Sven, geh weg, ich steh nicht auf, ich will sterben!“

„Blödsinn!“

„Was sagst Du da? Ich habe mich mit Stuhlgang in der Nacht eingekotet, die Nachtwachen mussten mir helfen, ach, was war das schlimm, ne,ich stehe nie wieder auf. Ich könnte heulen!“

„Dann mach wenigstens das Fenster zwischendurch auf.“

„NEIN,nichts mache ich, ich will hier nur liegen. Kein Essen will ich sehen. Nie wieder. Schrecklich. Der liebe Gott soll Schluß machen mit mir.“

„Bitte nicht dann wenn ich Dienst habe.“

„Was sagst Du da?“

„Ich hab da heute gar keine Lust drauf, Bestatter anrufen, deine Kinder, den Arzt, das volle Programm.“

„Was? Dann schmeiß mich aus dem Fenster. Oder kannst mich aus so begraben.“

„Nix, bei dem Wetter buddel ich hier kein Loch im Garten, der Boden ist ja völlig hart.“

„Du kriegst gleich auch einen harten Schlag an Nacken! Dann steck mich in einen Sack und schmeiß mich weg.“

Ich gehe kurz weg, komme mit einem großen Müllsack und dem Zollstock wieder:

„So Bertha, ich muss dich mal eben ausmessen, der Sack ist etwas klein. Ja, kann passen, hier die Beine ein wenig reindrücken, da den Kopf quetschen, so könnte das klappen.“

„Oh, was bist Du ein Lümmel, warte bis ich aufstehe.“

„Das wird ja nicht passieren.“

„Ach.“

„Du, beim Bäcker habe ich angerufen.“

„Was Bäcker?“ sagt sie.

„Na, den Totenkaffee bestellt, ich lasse es mir dann richtig gut gehen, werde auch zwei Stücke Kuchen essen.“

Frau O. lacht laut, sie mag so ein blödes Gerede.

„Sven, was würde ich ohne dich machen?“

„Im Bett verfaulen.“

„Mmh, ich stehe gleich auf.“

10 Minuten später war sie angezogen. Da hilft dann nichts a la „Kann jedem passieren!“, „Ist nicht schlimm!“ und die üblichen Sachen.

Natürlich rede ich nicht mit jeder Bewohnerin so.

Konstantinopel

Eine Schülerin hatte eine Zwischenprüfung, dafür wollte sie eine kurze Geschichte vorlesen und danach den Bewohnern Fragen stellen.
Sie fragte mich:

„Sven, was kann ich die Bewohner alles so fragen?“

„Du hast doch da schon so viele Fragen.“

„Nur so zum Notfall, damit ich Fragen übrig habe.“

Ich überflog den Text, es war Wochenende, ich hatte da auch nicht wirklich Motivation zu. Ich sah das Wort Konstantinopel, da wollten die Seeleute hinfahren laut Märchen.

„Frag doch mal ob einer Konstantinopel kennt und wie die Stadt heute heißt.“ sage ich.

„Hä? Die segeln doch hin zu Konstantinopel.“

„Quatsch, nach Konstantinopel segeln die.“

„Aaaaha.“ sagt sie.

„Ja, Konstantinopel nennt sich heute Istanbul.“

„Ach, Sven, verarsch mich nicht!“

„Sicher, meinst Du sie segeln zu einem Typen mit dem Namen Konstantin der einen tiefergelegten Opel fährt?“

„Keine Ahnung…. Istanbul.. schon klar.“

Dann eben nicht, wollte nur helfen.