Monatsarchiv: November 2011

Brille

„Paula, Du hast deine Brille gar nicht auf!“ sage ich zu Frau O.

„Ja Sven, kann die nicht finden, sehe ja ohne Brille nichts.“

„Ach so.“

„Ja…. Mensch, was habe ich für schwarze Fingernägel!“

„Ach, das siehste aber.“

„Ja, aber woher kommt der Dreck?“

„Keine Ahnung.“

„Also ich war nicht auf dem Friedhof und habe dort in dem Grab meines Mannes gegraben, daher kommts nicht.“

„Da bin ich aber beruhigt.“

Tztz…

Lieferservice

Ich hatte Frühschicht, die Frau eines Bewohners fragte mich folgendes:

„Sven, es gibt ja um 18 Uhr hier das Abendessen, muss ich denn um 18 Uhr wieder hier sein wenn ich meinen Mann jetzt mit nach Hause nehme?“

„Nein, die Spätschicht ist bis 20:30h hier, danach kommt die Nachtschicht, Sie können wiederkommen wann Sie wollen. Wir können auch das Abendbrot zurück stellen wenn Sie später wieder da sind als 18 Uhr.“

„Und das geht einfach so?“

„Ja sicher. Ich gebe die Info dann an die Spätschicht weiter.“

Am nächsten Tag hatte ich wieder Frühschicht, meine Kollegin, die die ganze Woche Spätschicht hat, kommt zur Übergabe:

„Sven, was war das denn mit Herrn B. gestern?“

„Wieso? Was war mit dem?“

„Ja, der ist um 20:20h mit seiner Frau zurück gekommen.“

„Das habe ich dir doch bei der Übergabe gestern erzählt.“

„Ja schon, aber er kommt 10 Minuten vor Feierabend.“

„Wo ist das Problem?“

„Ich war gerade bei der Dokumentation als er kam.“

„Meine Fresse, der Mann macht doch alles alleine.“

„Ich sage den Angehörigen immer man soll bis 18 Uhr wieder da sein, damit das für uns einfacher ist, auch mit dem Essen.“

„Hui, übel. Das Recht nimmst Du dir einfach raus, zu bestimmen wann erwachsene, mündige Menschen wieder zu Hause sein sollen,Respekt.“

„Hör auf, man will ja auch mal Feierabend haben.“

„Erzähl doch keinen Mist, wir haben alle um 20:30h Feierabend, wenn er um 20:20h wieder da war passt dooch alles. Er braucht ja nicht einmal Hilfe am Abend.“

„Und wenn einer länger weg bleibt der Hilfe benötigt?“

„Die Bewohner werden ja auch so oft abgeholt hier. Mein Gott, ich bleibe dann halt 15 Minuten länger. Du kannst die Stunden doch auch aufschreiben, ist doch hier im Haus kein Problem. Die Nachtwachen sind zur Not auch noch da.“

„Ja die werden sich bedanken.“

„Ich bin in über 13 Jahren vielleicht 10 mal länger geblieben in der Spätschicht, ich denke das kann man akzeptieren. Wenn eine über 80-jährige Frau ihren Mann abholt und ihn etwas später zurück bringt dann bleibe ich auch,falls nötig,länger. Wenn dein Arbeitsablauf sich nur minimal verändert drehst Du durch. Das ist hier keine Fabrik, wo man alles fein planen kann.“

„Hör auf,Sven.“

Ja,hör auf. Manche Kolleginnen könnte man.Aber den ganzen Tag…

Welche Zeitschrift?

Welches Heft kauft man sich nun wenn beide Zeitschriften nebeneinander im Regal zu finden sind? 😉

Mit freundlicher Genehmigung vom shopblogger.de

Kommunikation

Frau O. hat Besuch von ihrer Tochter, beide kommen in Richtung Schwesternzimmer, wollen einige Informationen haben. Vor dem Schwesternzimmer auf dem Sofa sitzt der Bewohner Herr W. mit Tochter und dem Urenkel.

Die Fragen von Frau O. und der Tochter habe ich beantwortet, die Tochter redet mit ihrer Mutter:

„Mama, Du hast ja einen ganz netten Pfleger hier!“

„Ach, hör auf, wenn Du weg bist sperrt der mich wieder in mein Zimmer ein, ganz schlimm ist der Sven!“

„Mama, hör auf so was zu sagen!“

„Doch, mit der Hand schubst er mich dann in mein Bett. Stimmt doch, Sven, oder?“

„Ne, nicht mit der Hand, ich habe da einen dicken Stock, ich mache mir doch nicht die Hände schmutzig.“ antworte ich.

„Siehste, siehste, siehste, da haste es, so ist der.“ sagt Frau O.

„Ja, Mama, ich merke schon wie schwer Du es hier hast.“

„Kind, fahr aber trotzdem, mit dem Sven werde ich fertig.“ sagt Frau O.

„Sie müssen sich das Gerede meiner Mutter nicht zu Herzen nehmen.“ sagt die Tochter zu mir.

„Hä? Nicht zu Herzen nehmen soll er sich das? Der hat doch gar kein Herz. Oder Sven?“ sagt Frau O.

„Ne, habe ich unten gelassen im Umkleideraum.“ antworte ich.

„Siehste Kind, so ist er.“

„Ja, Mama, bis später.“

Tochter geht weg, Frau O. geht lachend in ihr Zimmer.

Nun spricht mich Herr W. an, der auf dem Sofa vor dem Schwesternzimmer mit der Tochter sitzt:

„Sven, kennste meine Tochter hier neben mir?“

„Ja, klar, die kenne ich.“

„Und den hier? Der ist 3 Jahre, kennste den?“ Er zeigt auf seinen Urenkel.

„Willi, hör auf, jubel mir hier nicht die Kinder unter. Mit dem habe ich nichts zu tun. Von mir kommt er nicht.“

„Meinste das Du so einen hinbekommst?“

„Ich habs schon mal probiert, noch habe ich aber keine Kinder. Nicht das ich wüsste.“

„Du bist mir schon so ein Probierer.“

„Auf jeden Fall.“

Herr W. unterhält sich weiter mit der Tochter, ich mache in der Zeit meinen Schreibkram weiter.

Nach einigen Minuten kommt die Tochter von Herrn W. in das Schwesterzimmer:

„Hallo!“

„Moin.“

„Also wie Sie mit der Frau O. und meinem Vater reden. Sonst bin ich ja immer mit meinem Vater im Zimmer, bekomme den Alltag hier von der Station nicht wirklich mit. Aber das die alten Menschen hier so viel lachen und so mit denen geredet wird… toll, für meinen Vater ist es genau das Richtige, der mag so reden, die Frau O. war meiner Meinung nach auch angetan. Hätte ich nicht gedacht.“

Schön wenn Angehörige so etwas merken. Zumal der Vater schon knapp 1 Jahr bei uns wohnt.
Natürlich rede ich nicht mit jedem Bewohner/Angehörigen so.

Beschwerde

Die Tochter einer Bewohnerin hat sich beim Heimleiter beschwert. Immer wenn sie auf der Station ist sitzen die Angestellten im Schwesternzimmer und trinken Kaffee. Was das wohl für ein Moral sei.

Lehrer… sie hätte auch mal bei uns nachfragen können, klärt sich alles auf:

Tochter kommt immer, wirklich immer gegen 15:30h- 16:00h zu Besuch. In diesem Zeitraum haben wir Pause.
Dann sitzt man und arbeitet nicht.

Babyfrieden

Ganz neue Sitten gibt es nun bei uns. Ich gehe in das Zimmer der dementen Frau St., sie spricht mich an:

„Du, dann können wir los!“

„Ja, wo gehts hin?“

„Haha, zum Friedhof natürlich.“

„Ach so, Ok.“

„Ja, wir müssen das Kind ausgraben, mit den langen Armen, kennste ja, komisch. Und dann kommt das in den Topf.“

„Essen?“

„Ui, wie lecker das wird, freuste dich auch schon so wie ich?“

„Geht so.“

„Ach, Du hast keine Ahnung.“

Ich bin dann aber nicht mit dem Spaten zum Friedhof gefahren.

Geistliche Polizistenhebamme

Frau St. sitzt auf der Toilette und schreit laut um Hilfe, ich betrete das Bad:

„Na Frau St., alles in Ordnung?“

„Ja,natürlich.“

„Schön.“

„Können Sie mir helfen bei der Hose? Die muss hoch!“

„Klar.“

Sie steht auf, ich will die Hose hochziehen, da gehts los:

„HILFE,POLIZEI, unverschämt ist das hier!“

„Na, was ist jetzt los?“

„DU weißt das GANZ genau!“

„Dann gehe ich wieder.“

„Ja. Kannst Du mir helfen?“

„Wobei jetzt?“

„Ja, JA, JAAAAA, JAAAAAAAA, es ist soweit!“

„OK.“

„ICH BRAUCHE EINEN GEISTLICHEN!!!“

„Bin ich doch fast.“

„Mensch rede nicht, HOLE EINEN POLIZISTEN!“

„Nun die Polizei, ich schaue mal.“

„Ja, gerne. Das mach mal.“

Ich gehe, sie ruft mich zurück:

„HIER, JETZT, JEEEEETZT.“

„Jetzt? Was kann ich machen?“

„EINE HEBAMME RUFEN! ES IST SOWEIT. NUN MACH!“

Ja, es kam etwas, aber kein Nachwuchs.