Monatsarchiv: Oktober 2011

Zahnbürstenschneider

Herr Q. hat einen harten Bartwuchs, seine Frau kauft immer diese billigen Einwegrasierer.
Mit zwei Rasierern sollen wir dann 2 Wochen auskommen.
Niemals funktioniert das, spätestens nach der zweiten Rasur ist das Ding hin, dann schneidet man mehr als man rasiert.
Unzählige Male wurde die Frau darauf hingewiesen, sie ändert dies aber nicht.
Heute habe ich die Frau nochmal angesprochen:

„Morgen früh wollte ich Ihren Mann rasieren!“

„Ja,bitte.“

„Der Rasierer ist hinüber, er braucht unbedingt einen neuen Rasierer.“

„Jaha, Sie müssen die Dinger auch nach dem Gebrauch sauber machen. Sonst schneidet man ihm in die Haut.“

„Na, ich kenne die DInger. Ihr Mann hat aber so harte Haare, das schaffen die Rasierer nicht.Er braucht jeden zweiten Tag einen neuen Rasierer. Sonst kann ich ihn nicht rasieren. Kann man niemanden antun.“

„Da liegt doch noch die Zahnbürste von meinem Mann.“

„Ja, soll ich ihn damit rasieren?“

„Ne, mit der Bürste kann man gut die Rasierer säubern.“

„Wie bitte? Die Zahnbürste braucht er doch für seine Zähne.“

„Ich mache das so.Immer.“

„Hier wird das so nicht gemacht.Nie.“

„Zu Hause habe ich einen Rasierer immer 14 Tage benutzt.“

„Aber nicht die Einwegrasierer.“

„Doch. Natürlich. Sicher. So, ich muss dann auch los.“

Und weg war die Dame.
Der arme Hund, wenn das stimmt dann hat seine Frau ihn schön bearbeitet.
Oder sie hat den Rasierer für die Haare auf ihren Zähnen genommen.

Und die Zahnbürste… wenn die damit mal nicht auch die Dusche und ihre Füße gesäubert hat…

Mahlzeit.

Hausverkauf

Ehepaar V. wohnt im Altenheim, der Mann wohnt bei uns auf der Station, ziemlich verwirrt, die Frau, geistig fit, ebenfalls.
Natürlich könnten sie sich ein Zimmer teilen, dafür macht der Mann aber zu viel Blödsinn, z.b. die Wärmflasche mit kaltem Wasser füllen und der Frau über das Bett gießen. Oder er zieht die etwas zu engen Röcke und Schuhe der Frau an wenn er sie besucht.
Nun soll der Mann laut Sohn jeden Tag nach dem Abendbrot zu seiner Frau gebracht werden. Manchmal denke ich der Bewohner möchte dies gar nicht. Zumindest nicht jeden Tag.
In der Zeit ist der Sohn meist auch bei seiner Mutter anwesend.
Die letzten Tage wurde der Vater vom Sohn immer zurückgebracht, ganz seltene Aktion.
Irgendwann habe ich dann die Frau des Bewohners getroffen, ich habe sie gefragt warum ihr Mann nun am Abend immer bei uns und nicht bei ihr ist.
Der Grund: Das Haus des Ehepaares soll verkauft werden und der Mann soll davon nichts mitbekommen.
Das möchte der Sohn lieber mit der Mutter alleine regeln.
Was ist da besser?
So wie oben beschrieben oder dem Vater/Ehemann offen alles erzählen?

Ich habe dies schon öfter erlebt.
Heimlich wird das Haus verkauft, der Mutter wird nichts davon erzählt.
Irgendwann kommen dann Besucher, alte Freunde, Bekannte oder sonstige Personen und erzählen von dem Verkauf des Hauses.
Das ist natürlich dann für die betroffenen Personen noch schlimmer. Sie erfahren es dann von anderen Personen, nicht von der eigenen Familie.

Alles nicht so einfach.

Apfel

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Deswegen hasse ich diese künstlichen Dekoäpfel.

Hundeschrauben

Der Hundeclub war wieder im Haus, unser Herr B. sah die Tiere und ging dort hin.
Optisch hat der gute Mann immer besten Stoff am Leib, er macht einen sehr seriösen Eindruck.
Leider ist er völlig dement, bekommt dann alles durcheinander. Trotzdem könnte man meinen das er geistig fit ist wenn man ihn nicht näher kennt. Kann man schwer erklären.
Die Besitzerin eines Hundes spricht ihn an:

„Hallo!“

„Hallo. B. mein Name.“

„Hallo Herr B.! Wollen Sie dem Hund auch eine Belohnung geben?“

„Wofür?“

„Ähm, tzja, mmh, einfach so.“

„Ja.“

„Hatten Sie früher auch einen Hund?“

„Mmmh…. nein. Ich hatte zweieinhalb Katzen.“

„Ja?“

Von weiter weg schreit in dem Moment eine Bewohnerin: „Hilfe, ich muss mal auf Toilette!!!“

Herr B. redet weiter:

„Die Katzen wurden in die Toilette gesteckt. Mit Schrauben am Oberteil.“

„Was?“

„Na, die müssen doch raus, ich habe auch eine Frau, mit der habe ich das auch so gemacht.“

„Ah.Ja.“

„Der Hund hat noch keine Schrauben.Ich frag den Chef, ich erledige das.“

Die Hundeführerin weiß gar nicht was hier gerade passiert, sie wechselt erstmal den Bewohner.

So, das habe ich mir jetzt mal genauer nachgefragt:

Er Herr B. war früher Tischler, deshalb die Aktion mit den Schrauben, kommt öfter vor, meist werde ich losgeschickt um das Holz vom LKW zu holen.

Zweieinhalb Katzen: Das war schon schwerer aus ihm herauszukriegen: 2 Katzen waren klein und jung, die andere war ganz alt, daher war es eine halbe Katze.

Das mit der Toilette kam natürlich durch die gehörten Wortfetzen der anderen Bewohnerin.

Muss ich nächstes Mal der Hundebesitzerin mal erzählen was er damit gemeint hat. Sonst kommt die mit dem Hund nie wieder.

Sonntagskleidung

Einige Bewohner haben noch die gute Sonntagskleidung, Männer tragen dann Anzug, Frauen die besten ´Kleider´. Ist zwar seltener geworden aber teilweise noch in den Köpfen der Bewohner vorhanden.
13:15h, wir haben gerade die Übergabe im Schwesternzimmer, Frau A. klopft an die Tür und fragt etwas, geht dann wieder weg.
Meine Kollegin, mit der ich Spätdienst habe, schaut die Kollegin von der Frühschicht an:

„Sag mal, ich sollte doch gestern mit Frau A. die Sonntagskleidung aus dem Schrank holen.“

„Und?“ fragt die Kollegin der Frühschicht

„Ja, die Frau A. hat noch die Kleidung vom Samstag an, die Sachen hatte sie auch am Freitag schon an.“

„Keine Ahnung, ich habe heute meinen ersten Tag nach dem Urlaub.“

„Ja, wo hat sie die Sachen nur?“

„Du, ich habe keine Ahnung.“

„Merkwürdig. Die Kleidung sah so schön aus.“

Ja. Und so weiter. Wie die Frauen halt sind. 3 Minuten habe ich mir das angehört, die Übergabe ging wegen dieser Kleidung auch nicht weiter:

„Mensch Hedwig, es ist doch scheissegal was Frau A. an hat.“

„Ne Sven, ist es nicht.“

„Natürlich, meinetwegen kann sie den ganzen Tag hier im Bademantel laufen.“

„Aber ich hatte so schöne Kleidung mit ihr ausgesucht. Und die Sachen hat sie auch schon 2 Tage an.“

„Sie wird davon nicht sterben. Nu lass die Frau A. doch einfach mal, sie weiß schon was sie will.“

„Mir passt das nicht.“

„Genau das ist der Punkt, Du hast die Kleidung rausgesucht und Frau A. trägt es nicht. Darum geht es. Schau mal, da hinten sitzt Herr W. im Trainingsanzug, da wird kein Wort von erwähnt. Ist doch merkwürdig.“

„Ja, aber die Sachen sahen so schön aus.“

Meine Kolleginnen sind dann immer so entsetzt wenn etwas von der Norm abweicht. Oder wenn Dinge eintreten, die vorher nicht so geplant waren, z.b. das mit der Sonntagskleidung. Dann wird immer ein Fass aufgemacht,nervig.

Fieberthermometer

Praktisch, die Thermometer werden sofort ablesbar im Po gelassen wenn ein Patient vom Altenheim das Krankenhaus verlässt.
So geschehen und gesehen bei einer Bewohnerin.

Vielleicht eine neue Sonderaktion der Kollegen vom Krankenhaus?

Besuch

Ein Besucher kommt auf die Station, er sucht Frau Maria Beimer (Name geändert).

„Die Frau Beimer Maria suche ich.“

„Ja, die ist auf ihrem Zimmer, dritte Tür links den Flur hier.“

Nach einer Minute kommt er wieder:

„Ich sagt ich suche FRAU MARIA BEIMER!“

„Ja, ich habe sie wohl verstanden, Sie waren doch gerade bei ihr im Zimmer.“

„Nein.“

„Doch.“

„Nein.“

„Ich habe Sie doch gesehen als Sie das Zimmer betreten haben. Naja, dann gehen wir da gemeinsam hin.“

Also wieder zum Zimmer, Frau Maria Beimer sitzt dort, schaut TV.

„Moin Frau Beimer!“

„Moin Sven, na, der Mann war gerade schon hier, ist so wieder rausgegangen.“

Ich schaue den Besucher an:

„Sehen Sie, da sitzt die Frau Maria Beimer.“

„Die kenn ich nicht.“

„Mehr Personen mit dem Namen haben wir aber nicht.“

„War die Frau hier früher Nachtwache im Krankenhaus?“

„Nee, das war sie nicht. Ich könnte aber noch mit einer Agnes Beimer dienen, die war früher Krankenschwester, wohnt aber auf einer anderen Station.“

„Ja, bitte.“

Also bin ich mit dem älteren Herrn durch das ganze Haus gegangen. Frau Agnes Beimer sitzt zufällig im Speisesaal, ich sehe sie.

„Da hinten geradeaus, das ist Frau Agnes Beimer, Krankenschwester.“

„Die da?“

„Genau, da sitzt ja momentan nur eine Person.“

„Die sieht aus als wenn sie kaum noch was mitkriegt.Und die sitzt in so einem Rollstuhl. Schrecklich.“

„Das täuscht aber, die Dame ist geistig fit.“

„Sie können mir ja viel erzählen, näää, da geh ich lieber wieder weg.“

Arschloch. Und genau solche Menschen erzählen dann überall wie schrecklich ein Heim ist. Na warte, bald sehen wir uns wieder…

Telefon

Herr W. geht die Station auf und ab, macht einen ziemlich ernsten Eindruck. Kein gutes Zeichen bei ihm, er ist an Demenz erkrankt, hat manchmal komische Vorstellungen und wird dann laut. Dann heißt es improvisieren. Er sieht mich:

„Sach ma Sven, ist das ein großer Mist hier!“

„Hmm?“

„Ich hab ja überhaupt kein Telefon, mich kann niemand erreichen.“

Aha, darum gehts diesmal. Jetzt heißt es sich etwas einfallen zu lassen, in dem Fall hilft das „zutexten“:

„Jaha, Willy, das kann ich dir besorgen.“

„Aber sofort, nicht hier lange quatschen, es ist dringend!“

„Ja, ich rufe den Hausmeister an, der besorgt ein Gerät, dieses hat große Tasten, bei Bedarf auch kabellos mit einem großen Akku. Sehr feine Dinger, benutzen hier auch andere Bewohner. Der Hausmeister gibt die Information dann in der Verwaltung ab, von da kann man das Gerät dann auch gleichzeitig freischalten, in der Verwaltung sitzt die Frau P. Die kennst Du bestimmt, kurze Haare, knapp unter 50 Jahre alt. Macht manchmal einen sehr ernsten Eindruck. Momentan hat sie Urlaub, aber die Vertretung hat mit der Freischaltung auch keine Probleme, manchmal dauert das einen Tag, meistens funktioniert das Gerät aber sofort danach. Abgerechnet wird das dann am Monatsende. Oh schau an, heute haben wir den 20. Oktober, dann ist der Monat auch bald um, mein Glück, dann kommt auch wieder Gehalt aufs Konto. Weißt ja, ich bin ein ganz armer Pfleger, oder?“

„Jaaa, Du siehst schon so arm aus.“

„Bin ich auch, arbeite ja bei der Caritas.“

„Ah so.“

„Siehste.“

„Sag mal, wo haben wir gerade drüber geredet? Über die Zeitung?“

„Genau, ich habe vorne noch eine Zeitung, willste die lesen?“

„Oh, sehr gerne, freundlich von dir!“

„So bin ich zu dir.“

Er hat die Zeitung, liest ein wenig, ist glücklich und hat die Sache mit dem Telefon vergessen. Perfekt.

Interview

Nun habe ich das Interview mit der angehenden Frau Doktor geführt, Dauer ca. 2 Stunden.
Thema war verallgemeinert: Belastungen der Pflegekräfte in der stationäre Pflege. 20 Interviews führt die Dame.
Nach ihrer Ansicht können männliche Pflegekräfte den psychischen Streß, die Abweichung von Abläufen auf der Station, unvorhersehbare Ereignisse usw besser verkraften und verarbeiten als die weiblichen Pflegekräfte.

Die fertige Doktorarbeit will sie den Interviewpartnern dann zukommen lassen.

Mal sehen wie viel man davon dann versteht.

Herr B.

Seit Tagen liegt Herr B. im sterben, die 3 Töchter sitzen den ganzen Tag im Zimmer bei dem Vater, nehmen Abschied von ihm.
Herr B. ist klar bei Verstand, kann aber nur noch per leichtem Kopfnicken sich äußern.
Morphingabe alle 4 Stunden.
Tag und Nacht sind die Töchter da, schlafen sogar in dem Zimmer.
Am 4.Tag hintereinander sind man die Schlafentzugserscheinungen bei den Töchtern doch schon sehr.
4 Personen (inklusive Vater) in einem Zimmer, das zerrt irgendwann an den Nerven.
Die Töchter wollen gerne das der Vater es ´schafft´und sich nicht mehr auf dieser Erde quälen muss.

„Sven, wie lange kann das noch dauern mit unserem Vater?“

„Kann man überhaupt nicht sagen, gestern hatte ich frei, ehrlich gesagt habe ich gedacht das ich Ihren Vater heute nicht mehr sehen werde.“

„Haben wir auch alle gedacht.“

„Viele Bewohner sterben gerade dann wenn niemand im Raum ist. Stundenlang sitzen die Kinder in dem Zimmer, gehen kurz an die frische Luft oder eine Zigarette rauchen, kommmen wieder und der Elternteil ist verstorben.“

„Echt?“

„Klar.Ganz oft passiert das. Und Sie sind nun ja Tag und Nacht hier, Ihr Vater sieht seine Töchter 24 Stunden lang, vielleicht kann er da nicht loslassen.“

Die Kinder haben sich dann geeinigt. Die kommende Nacht wollen sie alle nach Hause fahren und dort schlafen.
Kurz nachdem die Töchter gefahren sind ist Herr B. verstorben. Alleine.
Ich denke das war in seinem Sinne.