Monatsarchiv: März 2011

Rote Liste

„Ich will auch die Rote Liste haben!“ jaulen die Schüler immer.
Einfach mal nett bei Hausarzt oder in der Apotheke nachfragen, meist gibt es dort ein älteres Exemplar gratis. Nicht nur für Pflegeberufe interessant.Rote Liste

Neuer Praktikant

Gestern hatte ich Spätienst, in der Frühschicht ist ein neuer Praktikant angefangen, er bleibt für drei Wochen.

„Und? Wie ist der Typ so? Wo ist der überhaupt?“ fragte ich meine Kolleginnen.

„Ja, ja Sven, hör auf, da kannste dir mal schön selbst ein Bild von machen. Der ist am rauchen auf dem Balkon.“

Aha, also gehe ich eine rauchen, da sitzt er, ca. 36 Jahre alt und chillt in der Sonne.

„Moin, ich bin Sven!“

„Steffen.“

„Machst Du ein Praktikum hier?“

„Ja, drei Wochen lang.“

„Aha.“

„Ja, ich war vorher selbstständig, hab mit Computern was gemacht, sehr erfolgreich.“

„So.Und dann hast Du dir überlegt mal mit alten Menschen zu arbeiten?“

„Nein. Nun braucht man für meinen Job ein Abi, das habe ich nicht und nun kann ich nicht mehr weiter arbeiten.“

„Hä?“

„Ja ist so. Ich lasse mir das nicht vorschreiben mit welchem Abschluß ich die Arbeit ausführen kann.“

„Hmm.“

„Und noch was.“

„Ja?“

„Ich bin ein sehr intelligenter Mensch. Nur weil ich ein Praktikum mache bin ich nicht blöd, verstehste das?“

„Gut dass Du das sagst, ich dachte jeder Praktikant drückt sich vor dem Knast oder hat keinen Schulabschluß….“

„Ja so ist es dann aber mal gar nicht, das sage ich dir gleich.“

„Ne, ne, da bin froh. Gerade in der Pflege braucht man Menschen mit Intelligenz. Hier arbeiten auch die meisten ohne die Größe eines Durchschnittsgehirns zu haben.“

„Und da zähle ich mich nicht zu, ich war dafür zu erfolgreich.“

„Genau solche Leute brauchen wir.Jung, dynamisch und erfolgreich.“

„Siehste.Und deshalb ist meine Freundin auch hier.“

„Wie? Hier auf der Station?“

„Eine Station tiefer.“

„Praktikum?“

„Genau.“

„Hat die auch in der Computerbranche ohne Abi gearbeitet?“

„Sie hat die Schule abgebrochen. War nix für meine Dame.“

„Wird auch überwertet so ein Schulabschluß.“

„Ich hab das Gefühl Du nimmst mich nicht für voll.“

„Nein, ich habe großen Respekt vor hochintelligenten Menschen.“

„Ah, OK.“

Hoffentlich sind die drei Wochen bald um, der hat nicht alle Latten am Zaun.

Nerven

„Sven, mein Sohn war heute da.“

„Der Billy?“

„Richtig, wir waren Kaffee trinken.“

„Was ist eigentlich mit deinem anderen Sohn der hier in der Stadt wohnt? Habe den ewig nicht mehr gesehen.“

„Tzjaaa, wie soll ich es sagen, der hat es mit den Nerven.“

„Hmm.“

„Was `Hmm´? Meinste bei der Mutter kann man es schon mal an den Nerven kriegen?“

„Das hast Du gesagt, würde ich aber sofort unterschreiben.“

Schon bekommt man einen Faustschlag auf die Schulter. Und ich wundere mich wo die blauen Flecken am Körper alle herkommen.

Erbrochen

Fr.H. hat erbrochen, ihr ist ganz merkwürdig.

„Haben Sie was falsches gegessen?“

„Nöö. Aber mir ist so übel.“

„Sieht man.“

„Ich habe das hier getrunken.“ Sie zeigt ein Glas mit einer hellblauen Flüßigkeit.Richtig blau, quasi  „Facebook blau“.

„Was ist das denn ekelhaftes?“

„Hab ich gemacht.“

„Wie das?“

„Mit den Tabletten aus dem Badezimmer.“

Aha, die guten Corega Tabs (Gebissreinigertabletten) wurden haufenweise bis zur Sättigung in ein Glas gefüllt. Da würde mir auch schlecht werden.

Klassiker

Besuch ist da, egal ob regelmäßig oder nur alle Jubeljahre, und Frau XYZ schläft, mag keinen Besuch an dem Tag, liegt im Bett oder was auch immer.

Was kommt dann sehr oft als Frage?

„Na, Frau XYZ ist ja komisch heute.Oder haben SIE ihr etwas zur Beruhigung gegeben?!?“

Meine Standartantwort:

„Die kriegen hier alle was zur Beruhigung, das macht man doch so im Altenheim.“

Reaktion:

Meist Beschämtheit mit nachfolgender Entschuldigung.
Ganz selten, meist bei älteren Besuchern, Angst und Verzweiflung. Nicht über die Tatsache, das Frau XYZ etwas an Medizin bekommen haben könnte.
Nein, die schauen so, als wenn ich mir die Besucher gleich schnappen würde und in einem Zimmer ohne Fenster am Bett fixieren will. Natürlich nicht ohne vorher einen Schluck aus der Beruhigungspulle angeboten zu haben.

Aber auch diese Art der Besucher merkt schnell das ich das alles gar nicht so meine.

Frauen

„Sven, haste keinen von deinen schönen Damen heute am arbeiten?“ fragte mich der Sohn von Frau W.

„Ne, momentan ist nur der Schüler da, um 16h kommt meine Kollegin.“

„Schüler?“

„Lehrling.“

„Ach so, also lernst Du das?“ fragt er den Schüler.

„Ja, ich bin im 2.Ausbildungsjahr.“

„So so.“

„Ach, der will nur an die Medikamente ran, deshalb lernt er das.“ erzähle ich dem Sohn.

„Jaaaaa genau!“ sagt der Schüler.

„Na dann ist er bei dir ja richtig aufgehoben, kannst ihm dann ja nochmal die richtigen Dröhnungen mischen.“ sagte der Sohn mir.

„Das lernt man schon im 1.Ausbildungsjahr.“ antworte ich.

Er findet es klasse weil es immer weniger Menschen gibt die den Beruf ausführen wollen. Das hören die Schüler hier immer wieder.

Grimme-Preis

Natürlich erhalte ich den Preis,bei den wenigen Bewerbern. 😉
Selbst habe ich mich nicht nominiert, wusste bis gerade gar nichts von der Sache, habe mich nur über die vielen Klicks in der Statistik gewundert.

Grimme Institut

Ex Kollegin

Feierabend, das Telefon zu Hause klingelt.
Eine ehemalige Kollegin, sie arbeitet jetzt in der ambulanten Pflege, ist am anderen Ende der Leitung.
Sie hat mein Auto gesehen und ist gerade bei den Nachbarn, die Dame benötigt Hilfe durch den Pflegedienst. „Leider“ ist der Ehemann noch mobil und er wollte seiner Frau helfen, dabei ist die Dame aus dem Bett gefallen.
Ob ich nicht mal eben schnell rüberkommen könnte, bis ihre Kollegin kommt dauert es zu lange.

Klar, kein Thema.

Das Pflegebett steht im Wohnzimmer, dreimal am Tag kommt der Pflegedienst dort. Unaufgräumt, es riecht nach Urin, der Ehemann völlig überfordert.
Am Dienstwagen lese ich „Alte Bäume verpflanzt man nicht.“

Doch, irgendwann ist der Punkt erreicht wo es zu Hause nicht mehr geht auch wenn es schwer fällt oder keine anderen Menschen (Kinder etc) helfen können/wollen.

Was man alles hört von den Mitarbeitern der ambulanten Dienste, alleine die Zustande in einigen Haushalten, da packt man sich echt an den Kopf.
Auch in diesem Fall kann der Ehemann oder der Pflegedienst der Frau nicht gerecht werden, warum zieht man dann nicht in ein Altenheim? Dort ist 24 Stunden jemand da und das innerhalb von wenigen Minuten, unabhängig von der Pflegestufe, was bei der ambulanten Pflege auch noch bei der Abrechnung berücksichtigt werden muss.
In dem heutigen Fall war auch kein Lifter vorhanden, also musste man die stabile Dame mit 2 Personen in das Bett wuchten.
Klar, Leihweise gibt es die Lifter teilweise von der Kasse, viele Angehörige wollen das große Ding aber nicht zu Hause stehen haben, was in der ambulanten Pflege für die Pflegekräfte noch dazu kommt.

So könnte man jetzt die Vor- und Nachteile niederschreiben, am Ende sind es in vielen Fällen ,auch berechtigt und unabhängig von meiner stationären Arbeit, die Vorteile des Altenheims.

Alles nicht so einfach.

Ambulanter Pflegedienst

Der Leiter des Pflegedienstes erzählte folgendes:

Mitarbeiterin, 40 Jahre, hat noch nie getankt.
Also ist er mit ihr zur Tankstelle gefahren, zufällig war in Zapfsäule 1 das Benzin welches der Wagen benötigt.
Auch die Mitarbeiterin hat das verstanden und immer schön an Säule 1 gezapft.
Nun fragte der Chef ob es an der Tankstelle klappt.
Ja, klappt, sie tankt immer brav an Säule 1, egal bei welcher Tankstelle.
Da hat der Betreiber des Pflegedienstes aber mächtig Glück gehabt.
Kann ja auch mal sein das an einer anderen Tankstelle Diesel statt Benzin in Säule 1 sich befindet.

Polizei

Gerade einen Kommentar über Angehörige gelesen, da fiel mir folgendes ein, ist schon etwas länger her:

Nach dem Dienst bin ich durch die Stadt gefahren, viel zu schnell. Blitz und die Polizei hält mich an. Unangeschnallt und zu schnell, na super.
Der Polizist kommt an das Auto, ich mache das Fenster herunter:

„Morgen, wir haben Sie gerade… Moin Sven!“

„Hallo Norbert, habt ihr mich geblitzt?“

„Jau, ein bißchen schnell warst Du. Und keinen Gurt um.“

„Ja, ich weiß, komme gerade vom Dienst, aber die ganzen Ausreden kennt ihr ja.“

„Wie gehts meiner Mutter?“

„Ach gut.“

„Naja, dann fahr mal schnell weiter, wir haben uns nicht gesehen.“

Der Polizist hatte seine Mutter bei uns.
Es gibt also nicht nur ätzende Angehörige.