Monatsarchiv: Oktober 2010

Husten

Frau Sch. hustet, hat sich eine Erkältung eingefangen:

„Ach Sven, ich bin erkältet, schon wieder.“

„Jahaa, das ist die Schlechtigkeit, die kommt im Alter raus.“

„Na, dann kannst Du da doch ein Lied von singen, bist doch der erste Mensch der bei einer Erkältung ´Hier,ich´ schreit.“

Stimmt auch wieder….

Sarrazin

Frau S. spricht mich an:
„Sven, mein Haus wird heute verkauft. Meine Töchter wollen es nicht, ich brauche es nicht,nun ja.“

„Habe ich schon gehört.“

„Leicht ist das nicht für mich.“

„Klar, das glaube ich sofort, viel Zeit hast Du da verbracht.“

„Neja, das meine ich nicht, damit habe ich keine Probleme.“

„Womit dann?“

„Die Leute, Sven, die es gekauft haben, das macht mich so nervös. Das kann ich nicht gut haben.“

„Wer hat das gekauft?“

„Ich mag es gar nicht sagen.Aber behalte es für dich.TÜRKEN!“

„Eine türkische Familie, ja, warum nicht?“

„Meinste?“

„Klar, ist doch ganz egal wer da wohnt.Oder meinste die sind schlimmer als deutsche Familien?Die werden da im Garten schon keine Lämmer schlachten.“

„Naja, warten wir es ab.“

Genau.Abwarten und türkischen Tee trinken.

Halloween

Halloween ist ja auch wieder, ganz vergessen.Deswegen fragte mich die Schülerin ob sie Einmalkittel, Mundschutz und weitere Sachen mitnehmen dürfte. Und ich dachte schon an einen Fetischismus der am Wochenende ausgelebt wird…

Frau R.

Frau R. ist verstorben. Ob ich mich noch an die Dame erinnere fragte mich ein Angehöriger einer anderen Bewohnerin.
Klar, die war vor 2 Jahren bei uns, ist dann nach Hause zu dem Sohn gezogen da das Heim laut Sohn zu teuer war.
Der Angehörige erzählte die ganze Story:
Frau R. ist hier ausgezogen, der Sohn hat dann für zu Hause eine polnische Pflegekraft angeheuert, natürlich schwarz wie sich das für Lehrer gehört.Die Pflegekraft erledigte auch ihre Arbeit.Nach 3 Monaten hatte sie wohl keine Lust mehr und hat erst einmal die komplette Wohnungseinrichtung und Wertgegenstände aus der Wohnung in die Heimat geschmuggelt. Der Sohn von Frau R. sah keine andere Möglichkeit als die Mutter wieder in ein Heim zu bringen. Diesmal aber in ein preiswerteres Haus. Dort gefiel es der Mutter überhaupt nicht.
Nun ist sie verstorben.
Schon merkwürdig wen man so etwas von einer ehemaligen Bewohnerin hört.

Ein Hundeklo..

.. haben wir also nun neu auf Station. Das war mein erster Gedanke als ich diesen braunen Haufen morgens vor Dienstbeginn um 6:00h vor dem Schwesternzimmer sah. Aber Hunde haben wir doch gar nicht, muss wohl vom Menschen kommen.
Na toll, nun sind wir schon so scheisse das die Bewohner uns dieses Verhalten in Form eines Haufens vor die Tür legen.
Muss mir echt zu denken geben.

Kleiderschrank

Der Sohn eines Bewohners kommt in das Schwesternzimmer:

„Der Kleiderschrank meines Vaters sieht unaufgeräumt aus, alles liegt durcheinander, ich habe keine Ahnung was sauber und was dreckig ist, so geht das hier nicht.“

„Sie haben mir erzählt das ihr an Alzheimer erkrankter Vater in seinem Zimmer tun und lassen soll was er will und wie er das will. Da er heute am Kleiderschrank zu arbeiten war hat er den nun so umgeräumt. Wir können den Schrank auch abschliessen, kein Problem.“

„Nein, ich möchte das er an seine Sachen rankommt wann er will.“

„Dann müssen Sie auch mit den Folgen leben, in diesem Fall das der Kleiderschrank aussieht wie Ihr Vater das will. Vielleicht findet er das so in Ordnung.“

„So dement ist mein Vater nun auch wieder nicht.“

„Da kann ich nichts zu sagen. Heute morgen war er auf dem Weg in die Stadt, meine Kollegin hat ihn nur durch Zufall gefunden. Er wusste nicht wo er ist und was er da macht, das hatte ich Ihnen heute auch auf den Anrufbeantworter gesprochen.“

„Hatte er eine Jacke an?“

„Nein, die hat er wohl im Kleiderschrank nicht gefunden.“

„Das hat er früher aber nicht gemacht.“

„Nein, wie auch? Seine Frau hat ja auf ihn aufgepasst. Er ist ja jetzt bei uns weil seine Frau das nicht mehr ausgehalten hat mit dem Mann und eine Schwächeanfall erlitten hat.“

„Völliger Blödsinn, meine Mutter hatte keine Schwächeanfall.“

„Oh ja, habe das hier im Bericht vorliegen, hat der Stationsarzt vom Krankenhaus bzw die Krankenschwester uns heute zugefaxt.“

„Naja, wie dem auch sei, der Kleiderschrank gefällt mir nicht.“

„Sagen Sie mir eine Lösung und wir werden uns darum kümmern.“

„Dann melde ich mich noch mal hier.“

Ich glaube mit dem Helden werden wir noch viel Spaß haben.

Besucher

Zwei ältere Damen wollten Frau S. besuchen, hatten Blumen dabei für die Frau. Die beiden Damen machten, wie viele andere in dem Alter, einen unsicheren, nervösen und „ich will hier so schnell wie möglich weg“, „hoffe das ich hier nicht hinkomme“ Eindruck.

Die beiden Damen sahen mich erst nicht, gingen dann zu Frau S. um diese zu besuchen. nach dem Besuch gingen die beiden wieder, suchten den Ausgang der Station da es hier 3 Möglichkeiten gibt nach unten zum kommen. Den Spaß wollte ich mir nicht nehmen:

„Oh, haben Sie sich verlaufen? Soll ich Ihnen den Weg zu Iher Station zeigen? Wo haben Sie denn ihr Zimmer?“

„Äh nein, ne, ne, ne, wir sind hier nur zu Besuch!“

„Besuch? Ah ja…“

„Ja ne ehrlich, wir waren bei Frau S. Wir gehen jetzt auch wieder.“

Panik steigt auf, der blöde Pfleger will uns bestimmt fesseln, knebeln und mit weichem, pürriertem Essen füttern.Schnell weg, aber der ist bestimmt schneller und stärker.Mist.

„Ach, Sie waren bei Frau S., dann bringe ich ihr mal eine Vase für die Blumen.“

Und so weiter und sofort.Small Talk, die Damen beruhigen sich wieder.Komischerweise legt sich die Nervösität solcher Frauen immer wenn man 1- 2 Minuten vernünftig und humorvoll redet, dann kommen Antworten wie „Das hätte ich mir hier anders vorgestellt“, „Nette Atmosphäre“, „Schön ist es hier.“ Der beste Spruch ist immer: „Und Sie sind ja auch so nett.“ (natürlich bin ich das nur zu Besuchern, mit Bewohnern wird natürlich nicht nett geredet, wo kommen wir da hin?!?) 😉

Aber vorher immer Panik schieben als wenn der Tod hinter jeder Ecke lauert.

Nächstenliebe

Frau P. lebt noch 2 Wochen zur Kurzzeitpflege bei uns.
10 Uhr, ein junger Mann kommt und möchte liebend gerne mit Frau P. reden. Typ Mensch,der eigentlich keine alten Damen im Altenheim besucht.
11:30h: Ein junges Ehepaar möchte gerne Frau P. sprechen.Ob es ihr gut geht? Wird sie bald sterben? Ne, da ist das Zimmer, fragt die Frau selber.
Herr L. von einer Station tiefer, 54 Jahre alt und schwer einschätzbar,hat im Tschetschenienkrieg wohl zu viel mitgemacht möchte auch Frau P. besuchen.

Mittags frage ich Frau P.:

„Mein Gott, Frau P. Sie hatten das Zimmer ja heute voll, viel Besuch war heute da.“

„Ach hör auf, wenn ich die schon alle sehe.“

„Freunde?“

„Ne, die wohnen auch da wo ich wohne. Der erste wollte meine Waschmaschine haben und das junge Paar mein Sofa.Noch lebe ich ,die meinen ich gehe vor die Hunde.“

„Ach so, naja. Sachen gibts.“

„Und Herr L. war auch da, kennste den?“

„Der wohnt hier auch im Haus.“

„Oh Hilfe, das war auch mein Nachbar gewesen, der hat zum Frühstück schon 2 Flaschen Wodka gesoffen.“

„Ach Frau P. so bekommen sie auch keine Langeweile bei den ganzen Besuchern.“

„Hör mir auf, bin froh das die alle weg sind.“

Mittagessen

Sonntags, 9:30h.
Frau S. sitzt in der Eingangshalle, bekleidet mit Mantel und Hut:

„Na, wo willst Du so früh schon hin?“

„Sven, meine Tochter kommt, wir wollten Essen gehen.“

„Die kommt doch erst um kurz vor 12h, oder?“

„Schon.“

„Und da willst Du hier so lange im Mantel und alleine warten?“

„Ja, wenn ich nach oben in mein Zimmer gehe und hier unten nicht sitze fährt sie so weiter ohne mich mitzunehmen.“

„Ach Quatsch, das macht deine Tochter nicht.“

„Man weiß es nicht.“

Manche haben auch Sorgen…

Kaffee und Kuchen

„Ina, wolltest Du auch Kaffee trinken?“

„Jetzt?“

„Ja, oder später, wie Du möchtest.“

„Mit Kuchen?“

„Richtig.“

„Sind da schon welche zum Kaffee trinken?“

„Also im Gemeinschaftsraum sitzen schon einige.“

„Kenne ich die?“

„Ich denke schon.“

„Sind das nette Leute?“

„Ja.“

„Wie alt sind die alle die da sitzen?“

„Ungefähr alle in deinem Alter.“

„Oh Gott, man könnte meinen ich bin hier in einem Altersheim so wie Du redest.“

„Der Eindruck entsteht wirklich schnell,Ida“

„Zum Glück ist das nicht so.“

„Richtig, wo würde das dann Enden?“

„Aber wirklich.Dann bring mich da mal hin.“

„Ok.“