Monatsarchiv: September 2010

Sofa

Vor dem Schwesterzimmer steht ein altes Sofa, meist nur als Dekoobjekt.
Ich komme zum Dienst, Frau P. und Frau O. sitzen auf dem Sofa.

„Na, was macht ihr denn da?“

„Oh gnädiger Sven, wir warten auf dich, die Sehnsucht hat uns auf dieses Sofa getrieben.Schön das Du arbeiten musst.“

Das ist doch mal eine Begrüßung…

Juck mich!

3 Damen sitzen im Gemeinschaftsraum,eine davon kratzt sich an den Oberschenkeln.

Die 2 Damen ohne Juckreiz flüstern und lachen sich schlapp, ich betrete den Raum:

„Na, was läuft hier wieder fieses?“

„Du Sven, die Frau P. juckt sich da an den Schenkeln.“

„Wie?“

„Na zwischen den Beinen juckt es ihr, kannste da nicht mal Abhilfe schaffen?“

„Mmh… der Dame juckt es, wie sollte ich da Abhilfe schaffen?“

Flüsterei geht weiter, sich brüllen vor lachen:

„Ja Sven, die hatte lange keinen Mann mehr, dann kann das schon mal vorkommen mit dem jucken.“

„Da bin ich froh das meine Oberschenkel nicht jucken.“

„Siehste, dann weißte ja wie Du jetzt vorgehen musst.“

Oh, oh.. 🙂

Njam

Frau S. hat sich nach dem Mittagessen wohl zu Bett gelegt und dabei noch ein Glas mit Rollmöpsen im Zimmer gefunden. Anscheinend war sie so müde das der Rollmops nicht mehr die Kehle runterrutschen wollte.
Sie lag quer im Bett und der Rollmops war halb im Mund und halb am Kinn.

Hatte Ähnlichkeit mit einer Schlange, die ein Hühnchen verspeisen will.

Grausam.

Zimmer frei

Frau H. hat ihr Zimmer im 1.Stock, Frau B. hat das Zimmer exakt über dem von Frau H.,also im 2.Stock.

Nun ist Frau H. vom 1.Stock die Treppen zu uns hoch gelaufen, ist bei im 2.Stockwerk angekommen und möchte in „ihr“ Zimmer:

„Arbeiten Sie hier?“

„Ab und an.“

„Jaha, in meinem Zimmer, da sitzt eine fremde Frau, hat meine Möbel geklaut und andere Sachen reingebracht.Machen Sie was.“

Bis man der Dame erklären konnte das sie zu hoch gelaufen ist vergingen 10 Minuten. Sie wollte mir das einfach nicht glauben.

Ende

Ich musste unten bei einer Bewohnerin den Blutzucker messen. Als ich wieder auf der Station war redete Frau Ö. mich an:
„Sven, das Telefon ging gerade.“

„Und? Wer war es?“

„Nun ja, das war eine Frau, die hat es sich anders überlegt.“

„Anders überlegt?“

„Ja, also mit dir. Die hat nun einen neuen Mann und findet den besser als dich.“

„Vielen Dank, das sind doch mal gute Nachrichten, bin ich das Elend auch los.“

„Hehehehe.“

Bei uns gehen die Bewohner nicht an das Telefon wenn es klingelt….

Terror am Telefon

Manchmal ist es ziemlich blöde wenn einige Bewohner selbst kein Telefon haben, die Anrufer melden sich bei uns und wir geben das Mobiltelefon dann weiter. Eine Dame aus dem Schwarzwald rief an:

„Jaaaaa, die Frau S. bitte.“

„Moin, ne, die ist gerade bei der Dialyse.“

„Ach Gott, sind sie da Pfleger?“

„Genau, rufen Sie doch mal in 3 Stunden wieder an.“

„Ach, Sie sind ein guter und netter Katholik,sind Sie doch,oder?Wissen Sie,ich bin Nonne und der Glaube ist wichtig,die Jugend hat keine Vorbilder mehr.Früher hatte mein Bruder auch einen Betrieb, nur musste er in die NSDAP eintreten um das machen zu können.Mit Traktoren liefen die auf die Straße als die Nazis die Kreuze aus den Wohnungen holen wollten.Aber die Jugend, ne,das hat sich geändert,das war mal so,heutzutage ist das anders.Und dann haben die auch Juden versteckt gehabt,durfte keiner wissen sonst gab das Ärger,wegen dem Betrieb und der Kreuze.Viele sind auch ohne Vorbilder, wer soll heute noch Vorbild sein.Auch in Russland sind viele gefallen, vielleicht wurde zu wenig gebetet das es daran lag.Ach wissen Sie, das geht mir alles zu schnell mit der Zeit und der Jugend.Steine hatten die Bauern um die Nazis nicht vorbeizulassen.Schlimm.Ich hoffe Sie haben ein Kreuz am Bett, haben Sie doch,ja?“

„Ja.“

Das ging noch laaaange so weiter.

Ich war gerade in der Dokumentation am schreiben als die Lady anrief, nach 2 Minuten den Hörer auf „Laut“ gestellt und jede Minute ein „Oh“, „Ja“, oder „Genau“ reingebrabbelt, nach 20 Minuten war sie endlich fertig.
Wenn man sich das Gespräch ernsthaft angehört hätte wäre das Gehirn schon sehr matschig geworden.

Besuch

Herr G. liegt im Krankenhaus, nun schon 14 Tage. Der ehemalige Nachbar kommt auf die Station:

„Hier, ich wollte zu dem Herrn G.“

„Oh, der ist noch im Krankenhaus.“

„Ne Junge, der ist hier, im Krankenhaus erreiche ich ihn nicht.“

Gut,dann ist er hier, mir wird ja nicht geglaubt.

„Gehen Sie zu seinem Zimmer, ist aber abgeschlossen.“

„Warum schließt er ab?!?“

„Weil er nicht da ist.“

„Na, schau ich mal.“

Nachgeschaut hat er, Herr G. war nicht da.

„Und? Was sagt Herr G. so?“

„Mmh, der ist nicht da.“

„Nicht? Schau mal an.“

„Aber im Krankenhaus erreiche ich den nicht, unter seiner Nummer geht keiner ran.“

„Dann rufen Sie doch mal direkt an der Pforte an, die haben die Telefonnummern zu den Zimmern.“

„Ich habe noch die Nummer von seinem letzten Krankenhausaufenthalt.“

„Naja, würde mich wundern wenn er in exakt dem gleichen Zimmer liegen würde wie bei seinem letzten Aufenthalt dort.“

„Recht hast vielleicht, mal schauen.“

Das die Menschen immer so mißtrauisch sind…

Zweitwohnung

„DU BIST EIN ECHTER SCHEISS TYP!“ hörte ich Frau O. sagen.
Was war da nun wieder passiert?
Bevor ich mir das nachfragen konnte stürmte Frau O., dement, auf mich zu:

„Sven, sag mir die Wahrheit!“

„Gerne.“

„Ich habe hier doch ein Zimmer.“

„Na sicher.“

„Genau.Und, habe ich in der Stadt auch noch eine Wohnung in der ich mich manchmal aufhalte?“

„Natürlich, ab und zu gehst Du doch auch dahin, heute lohnt sich das nur nicht weil es wieder regnet.“

„Ne, ne, heute will ich da nicht mehr hin.“

„Und warum oder welche Person hast Du gerade angebrüllt?“

„Den neuen Kerl hier, der will mir erzählen das ich hier wohne und sonst keine Wohnung mehr besitze, die ganze Zeit erzählt er mir das, der soll weg gehen.“

„Ich rede mal mit dem Kerl, der ist neu hier und hat da noch nicht so den Überblick, keine Sorge, ich regel das.“

„Sven, Du bist der Beste.“

„Da erzählst Du mir nix neues.“

„Hehe.“

Ja, unser Praktikant wollte der Frau O. doch erzählen das sie nur hier ein Zimmer hat und sonst nirgendwo.
Das ist vollkommen richtig, nur wenn ich das einer dementen Person erzähle, die felsenfest vom Gegenteil überzeugt ist dann beiße ich da auf Granit. So etwas kann man der Dame nicht erzählen.
Besser man sagt das sie die Wohnung in der Stadt noch hat und sie ist glücklich. Diese Diskussionen bringen überhaupt nichts.

„Wusste ich das die an Demenz erkrankt ist?“ hörte ich ihn sagen.

„Normal ja, hier sind nur 3 Bewohner geistig fit, hatten wir dir doch öfter gesagt.“

„Aber DIE? Ne, das hatte ich nicht geglaubt.“

„Klar, wir würden das auch erzählen wenn es nicht so ist. Die können gut schauspielern bzw die Krankheit überspielen, vertue dich da nicht.“

„Naja, aber Frau O.?“

„Ja, Frau O., sie erzählt auch das ich noch 15000€ für sie aufbewahre.“

„Ja genau.“

„Meinste wirklich das ich das Geld habe? Wie komme ich dazu? So etwas darf ich doch nicht machen.“

„Sie erzählt das aber.“

„Weil sie an Demenz leidet.“

„Mmmh.“

Keine Ahnung ob er das geschnallt hat, denke nicht.

Aber ich will aufhören hier immer über den Praktikanten zu schreiben, würde mir sonst die Hände blutig schreiben.

M*ller

Unser Praktikant fragte mich heute in der Pause:

„Warum gibt das hier Milchprodukte von M*ller?“

„Keine Ahnung, frag mal in der Küche nach.“

„Ja, der M*ller hängt mit der NPD zusammen, der spendet da Geld.Voll das Arsch.“

„Ja, kann sein, aber die Produkte kaufen trotzdem viele Menschen.“

„Bah, Du ja auch, gestern haste so eine Buttermilch von M*ller getrunken, ich würde das nie machen, ich hole mir dann die Buttermilch vom A*di.“

„Du bist ein Spinner erster Güte, die Buttermilch vom A*ldi kommt auch von M*ller, da bin ich mir zu 100% sicher.“

„Nä, da steht nicht M*ller drauf.“

„Richtig, dafür kostet es auch nur knapp die Hälfte.Die Buttermilch kommt vielleicht noch aus der gleichen Anlage, unten steht nur eine andere Packung drunter.“

„Das wusste ich nicht.“

„Ja, Du bist mir ein ganz toller Typ, wegen einem wie dir kann der M*ller nun fleißig Spenden an die NPD verteilen.“

„Das wusste ich ja nicht,Alter.“

„Musst dich vorher informieren wenn Du mir hier einen erzählen willst.“

Mensch, der Typ ist 17 Jahre alt und irgendwie schwierig.Ironie kennt der überhaupt nicht, wie kann man in dem Alter so verbissen sein.Das er M*ller wegen ihm nun auch Spenden überweisen kann nervt ihn tierisch. Nur weiß er noch nicht wo er jetzt seine Milchprodukte bzw die Buttermilch kauft.

Atheist

Viele Menschen der älteren Generation glauben an Gott. Eine Bewohnerin ist ab und an sehr unruhig, schreit nach der heiligen Maria. Gibt man ihr den Rosenkranz in die Hände hört sie sofort auf zu schreien und beruhigt sich.
Wieder war es der Fall das Frau A. sehr laut schrie, ich fragte unseren 17 Jahre alten Praktikanten ob er der Dame den Rosenkranz geben könnte:

„Nö.“

„Warum nicht?“

„Ich glaube nicht an das Zeugs.“

„Brauchste ja auch nicht, Du sollst ihr nur den Rosenkranz geben und ihr nicht die Beichte abnehmen.“

„Das mache ich nicht, das ist meine eindeutige Meinung.“

Keine Ahnung wo sein Problem ist, er kann doch, ohne an Gott zu glauben, der Dame den Rosenkranz in die Hand packen.